Musikgeschichte - Gymnasium
Der Begriff "Concerto" stammt vom italienischen "concertare" und bedeutet "zusammenwirken"; oft wird die Wortherkunft auch von "concitare" (= "wetteifern") hergeleitet. Die Entstehung der Gattung ist folgendermassen zu erklären: In Italien wurden am Anfang des 17. Jahrhunderts - etwa von Arcangelo Corelli - Instrumentalstücke mit zwei Oberstimmen (je solistisch) und Generalbass (meist ein akkordisches Instrument wie Cembalo und ein haltendes Bassinstrument wie Cello oder Fagott) komponiert, welche als "Triosonate" bezeichnet wurden.
Nun konnten diese Art von Stücken variiert werden:
Zum einen wurden Triosonaten einfach mit mehreren Instrumenten pro Stimme besetzt (gemäss dem Wort "zusammenwirken") und entsprechend "Concerto" genannt.
Zum anderen hat Corelli kompositorisch ganz im Sinne eines "Wettstreits" die solistische Gruppe (das sogenannte "Concertino") einem Restorchester (was passenderweise "Ripieno", also "Füllung", hiess) gegenübergestellt. Ein solches Stück wurde Concerto grosso genannt. Diese zwei Parteien konnten jeweils alleine solistische Teile haben (v.a. das Concertino), sich dialogisch ergänzen oder auch im Tutti gleichzeitig zusammenspielen. Hier ein Beispiel aus Corellis Op. 6, Nr. 8, 2. Satz (bei 1:47):
Als später das Virtuosentum (Fokus auf technische Fähigkeiten eines einzelnen Spielers) zunehmend an Geltung gewann, lag es nahe, die konzertierende Gruppe bis auf ein solistisches Instrument zu reduzieren. Das Solokonzert (eben auch "concerto") war geboren, bei welchem nur ein solistisches Instrument gegenüber dem Begleitensemble in Erscheinung tritt. Sehr bekannt sind etwa einzelne Sätze der Concerti für Violine aus der Sammlung "Il cimento dell’armonia e dell’inventione" Op. 8, die "vier Jahreszeiten" (je ein dreisätziges Concerto pro Jahreszeit), RV 269(Frühling)/315(Sommer)/293(Herbst)/297(Winter) von Antonio Vivaldi. Die folgende Komplettaufnahme wird empfohlen, auf Youtube direkt zu schauen, da dort in der Beschreibung die einzelnen Sätze mit den Timecodes versehen und so leicht aufzufinden sind für die folgenden Aufgaben:
Zur Übersicht über diese Gattungen kann folgende Grafik dienen:
Ähnlich der Anlage der Triosonate von einzelnen abgeschlossenen aber zusammengehörenden Stücken, sogenannten Sätzen, entwickelte sich die Suite. Sie bestand aus Tanzstücken, welche vorerst tatsächlich noch getanzt wurden, später dann meist nur noch rein instrumental gespielt wurden. Die Abfolge der einzelnen Sätze sah vor, dass mit einem eher langsamen Schreittanz begonnen wurde, auf welchen ein schnellerer Sprungtanz folgte: In Frankreich gab es etwa die Satzpaare Basse Danse - Tourdion oder Pavane - Gaillarde, in Italien Passamezzo - Saltarello oder im deutschen Sprachgebiet das Satzpaar Dantz - Hupfauf. In folgendem Beispiel sehen wir am Anfang den Schreittanz Pavana und ab 0:35 den Hüpftanz Gagliarda:
Mit der Zeit wurden diese zwei Sätze mit mehreren weiteren Tänzen ergänzt. Frühe Suitenabfolgen (etwa bei Paul Peuerl und Johann Hermann Schein) waren die Abfolge Paduana – Intrada – Dantz – Galliarda oder Pavana – Galliarde – Courante – Allemande.
Häufig gilt jedoch die Abfolge
Suiten können sowohl für Soloinstrumente, als auch für Ensembles und Orchester komponiert sein. Wie man im folgenden Beispiel der Suite in C moll von Couperin (0:00 bis 12:10) hört, werden die rein instrumentalen Suiten (z.B. hier für Cembalo) im Tempo sehr frei gespielt, da man ja eben nicht mehr dazu tanzen können muss. Die Sätze sind hier:
Die modellhafte Form des einzelnen Satzes einer barocken Suite ist die zweiteilige Suitensatzform. Sie besteht aus zwei jeweils wiederholten Teilen ("Reprisen") mit dem folgenden Tonartenplan:
Stück in Dur:
||: I-V :||: V-(über andere Tonarten-)I :||
Stück in Moll:
||: I-V oder Parallele/Variante :||: V oder Par./Var.-(über andere Tonarten-)I :||
Sie wird später massgebend für die Entwicklung der sogenannten Sonatenhauptsatzform sein, welche in ihrer harmonischen Anlage sehr ähnlich bleiben wird. Als Beispiel eines Suitensatzes hören wir aus Händels Suite Nr. 4, HWV 429, die Courante (6:10):
Die gleiche Form hat auch das frühe Menuett inne. Wir finden solche Menuette unter anderem etwa in den "Incidental-Musics" (Begleitmusik-Suiten zu Theaterstücken) des englischen Komponisten Henry Purcell in Streichensemblebesetzung mit Generalbass. Hier das Menuett der Suite "Distressed Innocence", Z. 577 (bei 2:03)
Später hat sich eingebürgert, Menuette mit einem Kontrastteil, dem sogenannten Trio (ursprünglich von zwei Oboen zund einem Fagott gespielt) zu versehen. Die Form war entsprechend: Menuett - Trio - Menuett. Die Anweisung war häufig einfach durch "da Capo", also mit dem Vermerk zur Wiederholung von Beginn bezeichnet. Später wurde dies gar nicht mehr vermerkt, da diese Spielweise Tradition geworden war. Ein schönes Beispiel ist etwa aus Georg Philipp Telemanns Ouverture in E Moll, TWV 55:e3, der 3. Satz (Menuett - Trio):
Hilfsmittel:
Aufgaben:
Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=fL8U8la72A8
Versucht anschliessend in der Klasse (draussen oder im leergeräumten Klassenzimmer) in Paaren ein Menuett zu tanzen. Dies geschieht immer nach dem Prinzip der Symmetrie, das heisst die Frau und der Mann stehen immer in punkt- oder achsensymmetrischem Verhältnis zueinander.
Die recht einfach zu tanzende Z-förmige Grundversion de Menuetts findet sich in Pierre Rameaus "Le mâitre à danser" (1725) oder dessen Übersetzung von John Essex "The Dancing Master" von 1728 (beide Quellen sind online zu finden: http://baroquedance.info/sources/rameau/ ):
Die Z-Figur wird anschaulich in diesem Video ab 0:43 getanzt:
Zum Tanzen wird etwa folgendes Menuett von André Cardinal Destouches empfohlen, da es vom Tempo her angenehm ist (auch wenn die Musik zur quasi zwölftaktigen Z-Form phrasenmässig nicht ganz passt):
Weitere originale Vorlagen aus der Zeit des französischen Hofkomponisten (unter Louis XIV.) Jean-Baptiste Lully sind etwa hier zu finden: https://earlydance.org/content/6369-menuet-deux-pour-un-homme-et-une-femme, aufgerufen am: 18.10.2021Das Prinzip der Imitation (Wiederholung eines Motivs/Soggettos auf einer anderen Tonhöhe) findet auch in einer berühmten Gattung des Barocks Anwendung: der Fuge. Als Vorstufe der Fuge wurde zunächst der Kanon gepflegt. Um 1600 bezeichnen Begriffe wie Fantasia, Canzona, Toccata oder Ricercar ähnliche Formen von Instrumentalstücken, die als Vorläufer der Fuge gelten dürfen. In der Motette und dem Madrigal hat sich das Imitationsprinzip, wie wir gesehen haben, schon länger etabliert.
Im Hochbarock folgt die Emanzipation der Fuge als selbständige Form. Lautenisten und Gitarristen komponierten im 17. Jahrhundert ebenfalls Fugen. In der französischen Ouvertüre ist der zweite Teil normalerweise eine Fuge; in der norddeutschen Orgelschule wird die Fuge mit einem vorangehenden meist improvisierten Präludium, einer Toccata oder anderer Formen standard.
Der wohl bekannteste Komponist von Fugen war Johann Sebastian Bach. In seinen Werken (z.B. Wohltemperiertes Klavier, Kunst der Fuge) erprobte er sämtliche Möglichkeiten der Fuge, sodass viele spätere Komponisten sich mit Bach auseinandersetzten.
1753/54, einige Jahre nach Bachs Tod, erschien Friedrich Wilhelm Marpurgs Abhandlung von der Fuge, die bis weit ins 19. Jahrhundert als musiktheoretische Anleitung zum Erlernen der Fugentechnik Verwendung fand.
Eine Fuge ist eine kontrapunktische Kompositionstechnik von zwei oder mehr Stimmen, die auf einem Thema (einem prägnanten, zusammenhängenden musikalischen Gedanken) aufgebaut ist, das zu Beginn imitiert eingeführt wird und das häufig im Verlauf der Komposition wiederkehrt.
Am Beispiel der dreistimmigen Fuge in F-Dur Nr. XI, aus dem "Wohltemperierten Klavier", Bd. 1 von J.S. Bach werden wir die einzelnen Teile einer Fuge kennenlernen.
Zu Beginn wird das Thema alleine in einer Stimme vorgestellt. Dieser Themeneinsatz wird Dux (= die führende Stimme) genannt.
Sobald dieser Dux zu Ende ist, setzt die Imitation des Themas in einer anderen Stimme meist eine Quinte höher oder Quarte tiefer ein, welche Comes (= die Folgende) genannt wird. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten der Beantwortung:
Wenn das Thema in allen Stimmen einmal eingeführt wurde, ist eine sogenannte Durchführung zu Ende. Die erste dieser Durchführungen wird auch Exposition genannt.
Zwischen den Durchführungen sorgen Zwischenspiele unter anderem für mögliche Modulationen (=Wege hin zu neuen Tonarten).
Als spezielle kompositorische Mittel werden die späteren Themeneinsätze variiert, etwa als:
Oft findet man zum Schluss von Fugen gerade bei Johann Sebastian Bach ein sogenannter Orgelpunkt, ein ausgehaltener Ton (oft im Bass) auf der fünften Stufe der Zieltonart der folgenden Kadenz.
Eine mögliche Analyse der ganzen Fuge findet sich hier.
Hilfsmittel:
Aufgaben:
Gehe folgendermassen vor:
Zur Hilfe kann auch diese Visualisierung dienen (ab 1:28):
Stelle deine Lösung anschliessend auf die Cloud.