Musikgeschichte - Gymnasium
Die meisten der wenigen Informationen über Musik aus der Antike (also vor 500 v.Chr.) sind in der Mittelalterlichen Lehre als Quelle überliefert worden. Zahlreiche Traktate von mittelalterlichen Gelehrten greifen die Lehre griechischer Autoritäten und Philosophen auf und kommentieren sie. Eine wichtige Figur stellt der gelehrte Boethius dar, welcher um 500 n. Chr. gelebt hat und beabsichtigte, sämtliche Werke Platons und Aristoteles' als Grundtexte der griechischen philosophischen und wissenschaftlichen Literatur in lateinischer Übersetzung zugänglich zu machen und zu kommentieren. Damit wollte er die wichtigsten überlieferten Bildungsgüter für die Zukunft sichern, da die Griechischkenntnisse im lateinischsprachigen Westen Europas stark abgenommen hatten. Er wurde zum wahrscheinlich wichtigsten Vermittler der griechischen Logik, Mathematik und eben auch der Musiktheorie an die lateinischsprachige Welt des Mittelalters bis ins 12. Jahrhundert.
Das Systema Teleion stellt den Tonvorrat an Einzeltönen in einer Reihe (ähnlich unseres heutigen Tonleiterbildes) dar. Wichtig ist die Tatsache, dass der akustisch tiefste Ton oben steht (also genau umgekehrt, wie im heutigen musikalischen Denken).
Tetrachorde (tetra = griech. vier) wurden als Aufteilungen des Tonvorrats (Systema teleion) verstanden. Sie bestehen im Normalfall aus vier Tönen (Umfang: reine Quarte) im diatonischen Abstand HT-GT-GT (von unten nach oben). Zu diesem diatonischen Tetrachord, kamen die weiteren Varianten des enharmonischen (ca.VT (Viertelton)-VT-2T) und des chromatischen (HT-HT-1½ T) Tetrachords dazu. Der Tetrachord als Begriff gehört also rein in die Zeit der Antike und der mittelalterlichen Antikenrezeption und hat mit der aus meiner Sicht unsinnigen Verwendung in der heutigen Tonleiteranschauung historisch und strukturell nichts zu tun.
Die Seikilos-Stele ist ein altgriechischer Grabstein, der in Tralleis in Kleinasien (heute nahe Aydin, Türkei), gefunden wurde. Die geringe Anzahl Funde schriftlich überlieferter musikalischer Quellen ist nicht primär auf einen generellen Mangel an archäologischen Funden zurückzuführen. Es gibt vor allem deshalb so wenige Funde, weil Musik noch bis zum Ende des Mittelalters vorwiegend mündlich überliefert wurde. Der Grabstein enthält zwei Verse, wobei der zweite mit Kleinbuchstaben versehen ist, welche als Tonhöhenbezeichnungen zu deuten sind.
Hörbeispiel: ab 0:54
Hilfsmittel:
Aufgabe:
Versucht, die alte Notation des Seikilos-Lieds in neue moderne Notenschrift (Korrekte tonhöhen inkl. Vorzeichen und Rhythmus) zu übertragen (handschriftlich oder digital). Lasse den Liedtext weg. Abweichungen: Das Zeichen «K» entspricht dem cis1, das Zeichen «X» dem kleinen fis.
Um das Problem des Rhythmus zu lösen, beachtet die Zeichen über den Notationsbuchstaben und diskutiert mit euren Sitznachbarn.
Vergleicht und besprecht anschliessend eure Notationen in der Klasse.
Der Begriff Mittelalter stammt aus dem 16. Jahrhundert, wurde also erst später der Epoche zwischen Antike (Untergang des römischen Reiches um 550) und Renaissance (Beginn in Italien um 1450) zugewiesen.
Im Mittelalter gab es weltliche und geistliche Musik. Beide Arten wurden vorwiegend mündlich überliefert.
Zum Bereich der weltlichen Musik zählt vor allem der Minnesang an den Höfen, sowie die Instrumental- und Tanzmusik der Spielleute. Später entwickelten sich in der sogenannten Ars Nova (14.Jhd.) im frankoflämischen Raum die Chansons und als Pendant in Italien im Trecento (14.! Jhd.) die Madrigale.
Zur geistlichen Musik gehören die Gattung des (sogenannt "gregorianischen") Chorals und dessen Weiterentwicklungen hin zum Organum der Schule von Notre-Dame (12./13. Jhd.). Auch im geistlichen Bereich wurden in der Ars Nova neue Gattungen, wie die vertonte Messe oder die Motette entwickelt. Obwohl die Kirche im gesamten Mittelalter die vorherrschende politische und kulturelle Kraft war, wurde geistliche Musik vorwiegend nur in Klöstern von Mönchen praktiziert.
Im Mittelalter war bei den gelehrten Klerikern das Studium der sieben freien Künsten im Zentrum. Dies sind:
Das sogenannte "Trivium":
Das sogenannte "Quadrivium":
Diese mathematischen Überlegungen manifestierten sich unter anderem auch in der Lehre über die Intervalle. Diese beinhaltete die Längenverhältnisse bei der Teilung einer Saite auf dem sogenannten Monochord. Pythagoras war der Legende nach der erste Gelehrte, der sich mit den Längenverhältnissen einer Saite mit dem Monochord auseinandersetzte, nachdem er zuvor an verschiedenen Grössenverhältnissen von Glocken experimentiert hatte. Er fand heraus, dass sich je nach Teilung gemäss den simpelsten Verhältnissen 1:2, 2:3, 3:4 etc. das Intervall änderte.
Hilfsmittel:
Aufgabe:
a) 1:2 (Gesamtlänge geteilt durch 2):
b) 2:3 (Gesamtlänge geteilt durch 3, mal 2):
c) 3:4 (Gesamtlänge geteilt durch 4, mal 3):
Würde man diese Messreihe fortführen mit 4:5, 5:6, 6:7 etc. erhielte man beim Stapeln der Intervalle über einen Basiston folgende Tonreihe:
Man erkennt darin auch eure Lösungen für die Verhältnisse 1:2 (C-c), 2:3 (c-g) und 3:4 (g-c') am Anfang der Reihe.
Nennt man diese Reihe Naturtonreihe (manchmal auch "Teiltonreihe" oder "Partialtonreihe" genannt), dann wird der erste Ton mitgezählt. Bei der zweiten Möglichkeit der Benennung als Obertonreihe, werden die Töne über dem Basiston gezählt, also wird mit dem ersten Ton über dem Basiston zu zählen begonnen (hier wäre das kleine c der erste Ton über dem Basiston, dem grossen C).
Aus physikalischer Sicht ist wichtig zu wissen, dass in einem gespielten/gesungenen Ton, diese ganze Intervallreihe mitschwingt (hier eben z.B., wenn man den Ton C spielen würde). Je nachdem wie laut die einzelnen Naturtöne mitschwingen, ergeben sich andere Klangfarben. Das heisst jedes Instrument oder auch jede menschliche Stimme hat sein eigenes sogenanntes Obertonspektrum.
In folgende Video werden die Obertonspektren visualisiert. Zuerst wird als Vergleich immer die Naturtonreihe als elektronische Sinusklänge mit gleicher Lautstärke (Ausschlag in y-Achse) pro Ton (auf x-Achse) gespielt. Dann folgen jeweils die Obertonspektren des Klaviers, der Gitarre (leider sehr geräuschhaft angeschlagen), des Fagotts, der Tuba, des Cellos, der Timpani ("Kesselpauke") und der Orgel. Man erkennt so einerseits all die Töne der Obertonreihe, welche mit dem gespielten Ton mitklingen und andererseits auch die Lautstärkeunterschiede der Obertöne, je nach Instrument. Diese Unterschiede im Gesamtmix eines Tons sind eben verantwortlich dafür, mit welcher Klangfarbe wir ein Instrument wahrnehmen.
Eine weitere wichtige Rolle spielt die Naturtonreihe bei der Entstehung von Klängen bei Instrumenten mit fixer Länge des Klangkörpers. Vor allem bei Blechblasinstrumenten (und in begrenztem Masse auch bei Holzblasinstrumenten) werden mittels Überblasen diese Naturtöne einzeln angespielt und bilden die Basis an spielbaren Tönen. Simpelstes Beispiel ist das Alphorn (ein Blech-blasinstrument!), welches nur auf diese Naturtonreihe zurückgreifen kann (wäre übrigens ohne die Ventile bei allen Blechblasinstrumenten ebenso der Fall).
Hier werden die Obertöne (Basiston wird leider nicht gespielt) eines Alphorns demonstriert (bei 1:00):